DK008 - Wir schubsen an der Klimaschaukel
Shownotes
DK008 - Wir schubsen an der Klimaschaukel
…und hat die AfD eigentlich Lack gesoffen?
"Das Klima”, der Podcast zur Wissenschaft hinter der Krise. Wir lesen den sechsten Bericht des Weltklimarats und erklären den aktuellen Stand der Klimaforschung.
Wir sind bei Kapitel 3 des IPCC-Berichts angekommen und damit dem, was wir Menschen so getrieben haben. Wir arbeiten uns durch die zweite Hälfte und das erste Mal wagen wir uns sogar in den Anhang eines Artikels vor. Denn darin findet man spannendes über die Klimaschaukel. Bevor es soweit ist, müssen wir aber erst einmal die menschengemachten Veränderungen im Rest des Klimasystems abarbeiten. Das Meereis schmilzt, die Gletscher schmelzen, im Ozean ist immer mehr Wärme, die Meeresströmungen verändern sich und die Daten zeigen mehr als klar: Das alles lässt sich nur erklären, wenn man die menschlichen Aktivitäten berücksichtigt. Außerdem stoßen wir im Wahlprogramm der AfD auf schon längst vergessen gedachten Klimaunsinn zum “guten Einfluss” des CO2, diskutieren ein weiteres Mal über Schokowürfel und freuen uns über die gut formatierten Abbildungen der FAQ-Sektion.
Kryosphäre: Der Höhepunkt kommt im September
Jedes Jahr im September ist das arktische Meereseis so wenig wie sonst nie und die im September noch von Eis bedeckte Fläche wird von Jahr zu Jahr kleiner. Diese Daten sind so eindeutig, dass sie nur mit dem Einfluss des Menschen erklärbar sind; irgendwelche natürlichen Schwankungen reichen als Erklärung nicht aus.
In der Antarktis dürfte es ähnlich sein; hier ist die Datenlage allerdings dünner und die Aussagen sind darum weniger verlässlich.
Konsistent weniger Schnee
Florian kommt zwar aus Österreich und kann selbstverständlich Skifahren. Tut er aber schon längst nicht mehr und nicht nur deswegen, weil kaum noch Schnee fällt. Was der Fall ist und im IPCC-Bericht ist das sogar regional modellierbar. Niederschläge sind ja im Allgemeinen schwer kleinräumig zu beschreiben, bei der Schneebedeckung kann man aber sehr konsistent einen Zusammenhang zur Oberflächentemperatur herstellen. Und wandern ist sowieso viel schöner!
Gletscher weg
Die Gletscher schmelzen und der Mensch ist schuld. Dieser Befund ist mittlerweile so klar, dass man kaum noch mehr dazu sagen muss.
Die schöne Abbildung 3.21
Nicht alle Abbildungen im IPCC-Bericht sind schön anzusehen. Ein paar sind aber wirklich sehr instruktiv und 3.21 gehört dazu:
Mehr als deutlich sieht man hier, dass die Beobachtungsdaten zur Eisbedeckung (oben) nicht allein durch natürliche Veränderungen im Klima zu erklären sind (Mitte) sondern nur durch den Einfluss des Menschen (unten).
Die Ozeane und ein Schokoladenwürfel
Die Ozeane nehmen etwa 91% der zusätzlichen Wärmeenergie auf, die uns der anthropogene Klimawandel beschert. Die bisherige Energiemenge, die wir schon in Folge 6 besprochen haben, kann man übrigens in Schokolade umrechnen, genauer gesagt in einen Würfel Vollmilchschokolade mit einer Kantenlänge von 26km. Claudia wüsste jetzt gerne was das in weißer Schokolade ist. Wenn wir bald schon keine Eisberge mehr haben, dann wenigstens Schokoladenwürfel. Schwimmt Schokolade eigentlich? Das die Erwärmung der Ozeane sicher ist, wissen wir schon. Diesmal lernen wir noch dazu, dass natürliche Antriebe diesen Anstieg nicht erklären können. Der Mensch hat seine Finger im Spiel. Abbildung 3.26 zeigt zudem schön, dass die Unsicherheiten von Klimasimulationen und Beobachtungen, die sich jeweils in Fehlerbalken zeigen, ganz ähnlich groß sind:
Das Salz im Schokoladenwürfel und der Offline-Meeresspiegel
Es gibt ein hohes Vertrauen in die Fähigkeit der aktuellen Klimamodelle die Änderungen im Salzgehalt der Ozeane ihren Quellen zuordnen zu können. Dass der Salzgehalt da steigt wo mehr Meerwasser verdunstet als Niederschlag fällt (Atlantik) und dort sinkt (freshening) wo es mehr Niederschlag fällt als Meerwasser verdunstet (Pazifik) wissen wir aus Folge 6. Jetzt wissen wir aber auch, dass die Modelle die Veränderungen im Salzgehalt nur dann widerspiegeln, wenn die Treibhausgase ansteigen. Darin haben wir mittleres Vertrauen. In Anbetracht der zahlreichen Belege ist es extrem wahrscheinlich, dass der Mensch zu den weltweit beobachteten Veränderungen des Salzgehalts in den oberen und mittleren Ozeanschichten seit Mitte des 20. Jahrhunderts beigetragen hat.
Was die Veränderung des Meeresspiegels angeht, lernen wir, dass die globalen Klimamodelle erst langsam in die Richtung gehen diesen explizit zu simulieren. Bisher hat man nur die thermosterische Veränderung (also die thermische Ausdehnung des Wassers bei steigender Wärmemenge) und seit neuestem auch die Veränderung durch die Eisschilde. Alles andere wird offline, also im Nachgang aus den Modellen ermittelt. Das macht es nicht schlechter, nur koppelt der Effekt des steigenden Meeresspiegels durch die nicht explizit simulierten Änderungen nicht in die Klimamodelle zurück. Deshalb resümiert der Bericht auch nüchtern, dass die derzeitigen Studien zur Erkennung und Zuordnung noch nicht alle Prozesse umfassen, die für den Meeresspiegelanstieg wichtig sind. Dennoch hält man es, basierend auf der aktuellen Studienlage für sehr wahrscheinlich, dass die Meeresspiegeländerung auf anthropogene Einflüsse zurückzuführen ist.
Energieumverteilung im Atlantik
Diesmal schauen wir auf die Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC). Dabei handelt es sich um die zonale Komponente (also die Nord-Süd-Komponente) der atlantischen Umwälzzirkulation. An der Oberfläche strömt warmes, salzhaltiges Wasser nach Norden, in der Tiefe fließt kälteres Wasser nach Süden zurück. Hier wird also viel Wärme transportiert und vom Äquator zum Nordpol hin umverteilt. Wir beobachten eine Abschwächung dieser Zirkulation, aber leider ist der Zeitraum, seit dem wir die AMOC beobachten und vermessen noch zu kurz, um abzuschätzen, ob diese Abschwächung signifikant ist. Auch wenn die Modellensembles die allgemeinen Merkmale des Durchschnittszustands der AMOC einigermaßen gut simulieren, so unterstützen Sie noch keine robuste Bewertung der Rolle des anthropogenen Einflusses bei der beobachteten Abschwächung.
Ein Teil der AMOC ist der für das Klima in Nordeuropa wichtige Golfstrom. Und der, das zeigt eine [aktuelle Forschungsarbeit](https://www.nature.com/articles/s41558-021-01097-4 ), ist dabei, langsam zusammenzubrechen. Es ist zwar noch nicht völlig klar ob der Mensch daran schuld ist, aber es ist sehr wahrscheinlich…
Die AfD und das Kohlendioxid
Auch in der Biosphäre gibt es Veränderungen. In Kapitel 2 haben wir schon dem Wein- und Marillenanbau hinterhergetrauert. Aber ist CO2 nicht eigentlichg gut für Pflanzen? Wächst nicht immer mehr, wenn wir mehr CO2 in die Atmosphäre pusten? Wäre es nicht sehr schlecht für die globale Landwirtschaft, wenn wir die CO2-Emissionen reduzieren? Das behauptet zumindest die AfD in ihrem Parteiprogramm. Da steht allerdings auch jede Menge anderer Quatsch drin und selbstverständlich ist das mit dem “guten” CO2 Unsinn. Genauso wie die Behauptung der AfD, das IPCC würde sich nicht mit diesem Thema beschäftigen. Was es sehr wohl tut, nämlich genau hier in Kapitel 3. Und da wird tatsächlich festgestellt, dass CO2 das Pflanzenwachstum fördert. Aber nur bis zu einer gewissen Grenze, denn die Erderwärmung sorgt auch für Wasserknappheit, Nährstoffmangel und Dürren. Was für die Pflanzen alles andere als gut ist. Es stellt sich also heraus, das die Behauptungen der AfD zum Klima völliger Unsinn sind - was für eine Überraschung…
Leaf Area Index
Zu den eher obskureren Indikatoren der Klimawissenschaft gehört der “Leaf Area Index”. Der misst, wie viele Blätter auf den Pflanzen der Erde wachsen.
Wir schubsen die Klimaschaukel
Claudia war mutig und hat sich in den Anhang Nr. 4 des IPCC-Berichts vorgewagt. Dort schaut sie etwas näher auf die North Atlantic Oscillation (NAO). Das ist die atlantische Komponente des Northern Annular Mode (NAM) und wird durch den Luftdruckunterschied zwischen dem Islandtief und dem Azorenhoch beschrieben. Diese Moden kann man auch Klimaschaukeln nennen (was Florian begeistert tut). Die Forschung an der NAO als Klimaschaukel begann schon im 18. Jahrhundert und führt sich bis heute fort. Ist der Druckunterschied besonders hoch, haben wir einen positiven NAO-Index, der mit bestimmten Luftströmungen und Phänomenen einhergeht, z.B. besonders milden Wintern in Nord- und Mitteleuropa. Die neuesten Klimamodelle simulieren die räumlichen Merkmale und die Varianz der NAO und der damit verbundenen Fernwirkungen auf Luftströmungen und Phänomen sehr gut. Darin hat man hohes Vertrauen. Es gibt aber nur begrenzte Belege für eine signifikante Rolle anthropogener Einflüsse bei den beobachteten multidekadischen Schwankungenseit Mitte des 20. Jahrhunderts. Und weil wir wissen, dass diese Schaukel unser Wetter seit mehr als 100.000 Jahren bestimmt, sollten wir da auf jeden Fall in Zukunft ganz genau hinschauen.
Übersäuerte Sicherheit
Im Abschnitt über die Übersäuerung der Meere findet man eine der seltenen Stellen, bei denen das IPCC ein Phänomen “virtually certain” zuordnen kann. Nämlich selbige Übersäuerung den menschlichen Aktivitäten.
Worst of Kapitel 3
In der Zusammenfassung von Kapitel 3 gibt es ein “Worst of”-Klimakrise. In kurzer Folge kann man nochmal von all den negativen Dingen lesen, an denen wir Menschen schuld haben.
FAQs: Woher wissen wir, dass wir schuld sind?
Die FAQs sind immer der beste Teil der Kapitel. Sehr verständlich und mit schön formatierten Abbildungen werden noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst. Diesmal empfehlen wir vor allem einen Blick auf Abbildung FAQ 3.1. So deutlich wie dort kann man die Frage: “Woher wissen wir, dass wir schuld an der Klimakrise sind?” kaum beantworten:
Und wer gerne alle anderen FAQs gesammelt lesen möchte, findet sie in diesem Dokument.
Abschluss und Ausblick und Kontakt Wer uns Feedback, Grüße oder sonstige Nachrichten schicken will, tut das am besten über podcast@dasklima.fm. Ansonsten freuen wir uns schon auf Kapitel 4. Denn da blicken wir in die Zukunft! Obwohl die Chancen gut stehen, dass wir uns nach der Lektüre nicht mehr freuen…
Weiterführende Informationen
Kapitel 3 des Klimaberichts ist hier als pdf downloadbar.
Kontakt und weitere Projekte
Wenn ihr Fragen oder Feedback habt, dann schickt uns einfach eine Email an podcast@dasklima.fm. Alle Folgen und alle Shownotes findet ihr unter https://dasklima.fm.
Florian könnt ihr in seinem Podcast “Sternengeschichten” zuhören, zum Beispiel hier: https://sternengeschichten.podigee.io/ oder bei Spotify - und überall sonst wo es Podcasts gibt. Außerdem ist er auch noch regelmäßig im Science Busters Podcast und bei WRINT Wissenschaft”-Podcast zu hören (den es ebenfalls bei Spotify gibt). Mit der Astronomin Ruth Grützbauch veröffentlicht er den Podcast “Das Universum”.
Claudia forscht und lehrt an der TH Köln rund um Wissenschaftskommunikation und Bibliotheken und plaudert im Twitch-Stream “Forschungstrom” regelmäßig über Wissenschaft.
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