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DK069 - Im Baumarkt der Klimakrise: Klimaschutz und Industrie

Shownotes

DK069 - Im Baumarkt der Klimakrise: Klimaschutz und Industrie

…und wer braucht ernsthaft Plastikstrohhalme?

"Das Klima”, der Podcast zur Wissenschaft hinter der Krise. Wir lesen den sechsten Bericht des Weltklimarats und erklären den aktuellen Stand der Klimaforschung.

In Folge 69 reden wir über die Industrie. Stahl, Zement, Beton, Plastik: Wir machen einen Ausflug in den großen Baumarkt des industriellen Sektors und schauen, was da in Sachen Klimaschutz möglich ist. Überraschend viel! Auch wenn - wie immer - die Politik die ganze Angelegenheit erheblich bremst.

Was und warum ist Industrie?

Der industrielle Sektor ist die größte globale Quelle an Treibhausgasen, wenn man die direkten und die indirekten Emissionen berücksichtigt. 65 Prozent der Emissionen dieses Sektors kommen von der Schwerindustrie. Der IPCC-Bericht präsentiert uns eine detaillierte Version der Kaya-Identität, die uns zeigt, wie sich diese Emissionen zusammensetzen.

Welche Optionen wir da für die Zukunft haben, zeigt uns Abbildung 11.1:

Abbildung 11.1

Industrielle Trends

In der Vergangenheit wurden die Emissionen von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum getrieben worden. Die Emissionen in der Industrie sind generell gestiegen; die gesteigerte Energieffizienz hat das nicht verhindern können; auch die Materialeffizienz nicht.

Wachstumsrate der Industrieemissionen ist zwar in den letzten Jahren um 1% gesunken. Um die Emissionen nachhaltig zu verringern braucht es aber ein Negativwachstum um 9 Prozent pro Jahr bis 2050.

Materialeffizienz

Materialeffizienz kann man aus zwei Blickwinkeln betrachten. Wir können das, was produziert wird, entweder länger und öfter nutzen. Oder gleich darauf schauen, dass wir weniger Material brauchen, um etwas herzustellen.

Ein Blick in unser Materiallager

Was haben wir alles und wie viel davon? Sehr viel! Die Materialien der Industrie sind von 36 Milliarden Tonnen im Jahr 1900 auf 1100 Milliarden Tonnen im Jahr 2020 gestiegen. Die Menge hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt und das meiste davon ist Zeug, das wir zum bauen nutzen; insbesondere Beton.

Das mit der Materialeffizienz funktioniert noch nicht so richtig, da wegen falscher Politik die Anreize dafür fehlen.

Zwei Drittel der globalen Energie braucht die Industrie, sie dominiert den Energieverbrauch.

Welche Industrie macht welche Emissionen?

Im Jahr 2019 kam der Hauptteil der Emissionen aus der Verbrennung (7 Gigatonnen), 6 Gigatonnen kamen aus Strom und Wärme. Der gesamte Sektor setzt circa 20 Gigatonnen frei. Es ist aber auch ein Problem der Buchhaltung; es kommt immer drauf an, wie und wann das CO2 in den industriellen Produkten wieder freigesetzt wird.

Welche Weltgegenden wie viele Emissionen erzeugen, kann man in Abbildung 11.5 sehen:

Abbildung 11.5

Vor allem China hat hier wirklich zugeschlagen. Dort wurde aber auch zwischen 2000 und 2012 jeden Monat 12 schwerindustrielle Projekte gebaut!

Sechs Strategien für die Zukunft

Sechs Hauptoptionen haben wir für eine bessere Zukunft: Materialnachfrage, Materialeffizienz Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz, Elektrifizierung und andere Kraftstoffe und Carbon Capture and Storage/Carbon Capture and Usage (CCS/CCU)

Wie das mit der Materialeffizienz aussieht, kann man sich in Abbildung 11.7 ansehen.

Abbildung 11.7

Der Sinn einer Kreislaufwirtschaft ist klar: Besser reparieren als neu kaufen. Ist aber eine Sache des Designs.

Wie wichtig Recycling ist, sieht man am Aluminium und in Abbildung 11.8:

Abbildung 11.8

Wundermittel Wasserstoff

Momentan produzieren wir global 70 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr. 76% davon kommen aus Erdgas, 23% aus der Kohle. Das heißt: Die Wasserstoffproduktion ist für 5% der Emissionen aus dem Industriesektor verantwortlich.

Carbon Capture

CO2 aus der Industrie einzufangen und zu nutzen bzw. zu speicher ist natürlich prinzipiell gut. Es kommt aber drauf an wie man es macht; man kann aber sogar negative Emissionen kriegen. Erforscht und politisch ausgearbeitet ist das aber alles noch nicht.

Es geht um Stahl

Die Stahlproduktion ist überall gestiegen; 2019 war sie für 20% der direkten Emissionen aus dem Sektor verantwortlich. Um das zu verbessern kann man zum Beispiel Schrott nutzen. Oder was an den Methoden der Stahlherstellung machen. Momentan werden 73 Prozent des Stahls mit dem Blast furnace-basic oxygen furnace Verfahren produziert, mit Lichtbogenöfen macht man 26% des Stahls.

Man kann klassische Hochöfen mit CCS/CCU-Kapazität ausrüsten; ist aber teuer und nicht so effektiv. Besser wäre es, das alles gleich neu zu bauen und auch nicht wirklich teurer. Man kann auch ganz neue Methoden verwenden, an denen gerade geforscht wird und die die Stahlproduktion vielleicht komplett CO2-neutral machen können.

Zement

Bei Zement lässt sich sehr schwer was einsparen. 14% der globalen Emissionen aus Industrie stammen vom Zement. Was aber möglich ist: Besseren Beton produzieren, denn dann braucht man weniger davon. Oder gleich andere Materialien als Beton und Zement nutzen. Das braucht aber Aufklärung und Bildung für alle, die das Zeug nutzen und herstellen.

Chemikalien

Die chemische Industrie braucht am meisten Energie und ist der drittgrößte Emittent des Sektors. Vor allem die Produktion von Ammoniak ist kritisch; und für 30% der CO2-Emissionen der chemischen Industrie verantwortlich. Kann man ändern, wenn man alles elektrifiziert oder synthetischen Kohlenstoff bzw. Biomasse als Ausgangsmaterial verwendet.

Plastik

Die globale Produktion von Plastik ist massiv gestiegen; um 8.4 Prozent pro Jahr und doppelt so schnell als das Bruttosozialprodukt. In den entwickelten Ländern nutzen wir 20 mal mehr Plastik pro Kopf als anderswo und es gibt keine Anzeichen, dass das weniger wird. 14% des globalen Öls und 8% des globalen Erdgases werden für Plastik genutzt und die Plastikproduktion ist für fast 2 Milliarden Tonnen CO2e pro Jahr verantwortlich

Druck auf die Industrie

Die Chemie wird sich mit anderen Sektoren zusammentun müssen, zum Beispiel der Forst- und Landwirtschaft. Auch die Stadtplanung muss involviert werden, dann kann man zum Beispiel die Abwärme der Industrie zum Heizen verwenden (in Dänemark passiert das schon bei 5% der Haushalte). Nicht vergessen werden dürfen auch die Auswirkungen der Klimakrise auf die Industrie - und die der Politik, die die Industrie bis jetzt aktiv vor den Kosten der Klimakrise geschützt hat.

*Was passiert in Zukunft?

Die Dekarbonisierung der Industrie ist bis 2050 möglich. Aber alles was wir jetzt machen muss enorm hochskaliert werde, damit das funktioniert. Außerdem braucht es multi-institutionale Koordination, und konkrete politische Maßnahmen mit detaillierten Vorgaben und transparenten Prozessen zur Überwachung. Tja.

Wie solche politischen Maßnahmen aussehen können, zeigt Abbildung 11.15:

Abbildung 11.15

Klimavernetzung in NRW

Das Projekt IN4climate.NRW wird vom IPCC extra hervorgehoben. Das ist ein ”Thinktank für die klimaneutrale Industriezukunft. Impulse für NRW und darüber hinaus.” Kann man machen, auch wenns komisch klingt.

Treibhausgaslabels

Wenn auf unseren Produkten steht, wie viele Kalorien sie haben, dann kann man doch auch drauf schreiben, wie viel CO2 bei ihrer Herstellung emittiert wurde, oder? Ja, kann man, sagt der Bericht und es würde auch helfen. Aber die Politik muss es halt machen. Und das ist auch das Fazit: Es braucht ein kohärentes politisches System, damit sich die Industrie darauf einstellen kann. Sonst wird das alles nix.

Weiterführende Informationen

Kapitel 11 des dritten Teils vom Klimabericht ist hier als pdf downloadbar.

Hinweis zur Werbung und zu Spenden

Ein kleiner Hinweis: In “Das Klima” gibt es keine Werbung. Wenn ihr Werbung hört, dann liegt das nicht an uns; dann hat jemand unerlaubt und ohne unser Wissen den Podcast-Feed kopiert und Werbung eingefügt. Wir machen keine Werbung - aber man kann uns gerne was spenden.

Kontakt und weitere Projekte

Wenn ihr Fragen oder Feedback habt, dann schickt uns einfach eine Email an podcast@dasklima.fm. Alle Folgen und alle Shownotes findet ihr unter https://dasklima.fm.

Florian könnt ihr in seinem Podcast “Sternengeschichten” zuhören, zum Beispiel hier: https://sternengeschichten.podigee.io/ oder bei Spotify - und überall sonst wo es Podcasts gibt. Außerdem ist er auch noch regelmäßig im Science Busters Podcast und bei WRINT Wissenschaft”-Podcast zu hören (den es ebenfalls bei Spotify gibt). Mit der Astronomin Ruth Grützbauch veröffentlicht er den Podcast “Das Universum”.

Claudia forscht und lehrt an der TH Köln rund um Wissenschaftskommunikation und Bibliotheken und plaudert im Twitch-Stream “Forschungstrom” regelmäßig über Wissenschaft.

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Kommentare (2)

Thomas

Um meinen Vorredner zu ergänzen: Um den Kohlenstoff wieder aus dem Roheisen zu bekommen wird keine Luft sonderns reiner Sauerstoff in die Birne geblasen. Und wer hats erfunden.....? Die Österreicher! Das ist das Linz-Donawitz-Verfahren. Und wenn ihr mal in Duisburg seid dann lohnt sich nicht nur der Landschaftspark Nord, sonderns man kann auch ein Besuch bei Thyssen Krupp machen, da wird die Technik nämlich noch live angewandt.

Arnim

Bezüglich Stahl- und Eisenproduktion - ich hoffe, ich kriege das noch richtig zusammen, aber da mein Vater im Anlagenbau war und das oft erklärt hat (u.a. ein kurzer Einsprecher im Proton-Podcast als Reaktion zur Folge zu Eisen), sollte ich nicht allzuweit daneben liegen. Fangen wir mit dem Hochofen an. Der ist mit Schamotte ausgekleidet (die dann entsprechend immer wieder neu aufgemauert werden muß). Dadrin werden Eisenerz und Kohle (und einige Zuschlagstoffe) aufeinandergeschichtet. Beim Verbrennen der Kohle wird das Eisen reduziert (d.h. Sauerstoff entzogen), dafür bleibt Kohlenstoff im Roheisen. Das entstehende Kohlendi- und -monoxyd zieht nach oben ab. Unten wird regelmäßig "abgestochen", d.h. Eisen und Schlacke werden entnommen (und direkt getrennt). Am Boden des Ofens sammeln sich die schweren Verunreinigungen (hauptsächlich Schwermetalle wie z.B. Gold und Silber), und wenn der Ofen neu ausgekleidet wird, wird diese sogenannte Ofensau gesprengt und anderswo verwertet. Um aus dem Eisen jetzt Stahl zu gewinnen, muß der Kohlenstoff aus dem Eisen geholt werden. Bei der Methode die ich mitbekommen habe wird in einem Gefäß (Birne) Luft durch das flüssige Eisen geblasen, entweder von unten durch den Boden, oder mit einer Lanze von oben. Hier kann auch Schrott zur Kühlung zugesetzt werden. Den Lichtbogenofen kenne ich nur um Schrott wieder einzuschmelzen, hier wird wirklich nur mit Strom das Eisen verflüssigt. Derzeit arbeiten die Stahlhersteller natürlich daran, die Kohle durch Wasserstoff zu ersetzen, allerdings hat mein Vater diese Techniken nie selbst kennengelernt. Übrigens ist der Landschaftspark Duisburg-Nord ideal, um die entsprechende Industriegeschichte zu studieren…

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