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DK006 - Gletscher- und Marillenschwund

Shownotes

DK006 - Gletscher- und Marillenschwund

…und warum bewegt sich eigentlich die Luft?

"Das Klima”, der Podcast zur Wissenschaft hinter der Krise. Wir lesen den sechsten Bericht des Weltklimarats und erklären den aktuellen Stand der Klimaforschung.

Wir sind im zweiten Teil von Kapitel 2 des IPCC-Berichts und darin geht es um all das, was sich in den letzten Jahrzehnten und Jahrtausenden so in unserem Klimasystem verändert hat. Ziemlich viel nämlich und in letzter Zeit immer mehr und immer schneller. Claudia erklärt die fundamentale Frage nach der Bewegung der Luft, während Florian die Aussagen österreichischer Politiker über die Gletscher auseinander nimmt. Außerdem geht es um die Frage der schneearmen Winter und der Menge an Wärme, die in unseren Ozeanen steckt (absurd viel!). Die Biosphäre ändert sich auch, was nicht nur für die Tiere und Pflanzen dramatische Folgen hat, sondern auch Marillen-Fan Florian und Wein-Fan Claudia in große Sorge stürzt. Claudia erklärt derweil, wie es mit El Nino, dem Monsun und anderen großräumigen Wettermustern weitergeht. Am Ende stellen wir fest, dass früher alles anders war, selbst als es noch so war wie jetzt und dass wir uns gar nicht erst daran gewöhnen zu brauchen, wie es jetzt ist, weil sich alles noch weiter verändern wird.

Neues aus der Vergangenheit

Wir stehen auf Seite 459 von 3949 des IPCC-Reports und beschäftigen uns mit den Veränderungen im großräumigen Klimasystems. Wir starten mit Abschnitt 2.3 “Changes in Large Scale Climate” und mit neuen Daten aus der Paläoklimatologie, die uns besser als früher sagen, wie sich alles im Vergleich zu damals geändert hat. Außerdem lernen wir einen Schwung neuer Abkürzungen.

Wie geht's dem Wasser in der Atmosphäre?

In der Hydrologie hat sich auch einiges verändert; vor allem ist jetzt mehr Wasser in der Atmosphäre als früher. Das heißt nicht nur: Mehr Regen. Das heißt auch: Mehr Energie in der Atmosphäre, die alles ein wenig heftiger macht. Interessant ist aber auch die Messung des Absinkens der relativen Luftfeuchtigkeit über Land: Die Wärme führt zu einer Ausdehnung der Luft und deswegen ist relativ gesehen weniger Wasser drin als vorher. Oder anders gesagt: Es kann mehr regnen, obwohl es sich für uns trockener anfühlt. Das alles zu wissen ist wichtig für den Energiehaushalt und Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre. Und wir können gar nicht genug wissen, denn wenn es zum Beispiel um die Messung von Niederschlagsdaten geht, ist die Lage noch recht unsicher. Es ist eben schwierig, Daten aus der Vergangenheit zu kriegen. Da hilft auch mehr Geld nichts.

Gleiches gilt für den Wind und die Veränderung in den Tiefdruckgebieten: Auch hier haben wir wenig historische Vergleichsdaten. Wahrscheinlich gibt es heute mehr Tiefdruckgebiete als früher. Wir können es aber nicht genau sagen, da Wirbelstürme eher keine Fossilien produzieren.

*Warum bewegt sich die Luft?

Diese auch für das Klima relevante Frage klärt Meteorologin Claudia gleich mal grundlegend. Im Prinzip geht es ja nur um die Sonnenenergie pro Zeit und Fläche die auf der Erde ankommt. Wie warm es wird, hängt vom Winkel der Sonneneinstrahlung ab. Deswegen gibt es ein Energieungleichgewicht und es kommt zu einem Ausgleich. Anders gesagt: Der Wind weht. Das würde er gerne vom Pol zum Äquator tun. Ganz ungestört. Die Erde dreht sich aber und das macht die Sache kompliziert. Die “Coriolis-Kraft” wirkt und führt zu unserer globalen Zirkulationen mit ihren Zirkulationszellen.

Was macht Hadley in seiner Zelle?

Eine besonders wichtige Zirkulationszelle ist die Hadley-Zelle. Die allerdings nicht nach dem Astronomen John Hadley benannt ist, sondern nach seinem Bruder George Hadley, der eigentlich Rechtsanwalt war. Diese Zelle hat sich vergrößert, vor allem im Norden. Auch hier fehlen die historischen Daten, aber auf jeden Fall hat das großen Einfluss auf den Verlauf der Winde und das lokale Wetter.

Wann wird's mal endlich wieder Winter?

Jedes Jahr im Winter warten wir auf den Schnee. Da können wir in Zukunft aber länger warten, denn die Schneebedeckung im Winter nimmt ab, seit 1978 schon und immer weiter. Wie es mit Schnee und Eis auf der Erde aussieht, hat das IPCC schon sehr ausführlich in einem eigenen Bericht untersucht: Dem “IPCC-Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima”

Wir wissen auf jeden Fall mehr über die Arktis als über die Antarktis, aber weniger wird das Eis überall. Die schwindende Schneebedeckung kann man sich sehr schön in Abbildung 2.22 des Berichts ansehen:

Abbildung 2.22

Gletscherschwund und österreichische Politik

Was ebenfalls schwindet, sind die Gletscher der Erde. Zwischen 2010-2019 sind 290 Gigatonnen Eis pro Jahr geschmolzen. Einen größeren Massenverlust haben wir noch nie gemessen. Man kann das schwer veranschaulichen; das entspricht eine Kugel mit 8 Kilometern Durchmesser aus festem Eis!

Das ist beeindruckend, manche Politiker interessiert das aber gar nicht, weswegen sich Florian ein bisschen über Herbert Kickl aufregt, Chef der nicht unbedingt wissenschaftsaffinen rechtsextremen FPÖ in Österreich. Der hat kürzlich Quatsch über Gletscher erzählt und sollte dringend mal in den IPCC-Report schauen.

Permafrost

Der Permafrost taut - wenig überraschend - ebenfalls auf. Und das ist nicht gut, weil da jede Menge Methan in die Atmosphäre entkommt, das wir dann nicht mehr in den Boden zurück kriegen.

Was macht das Meer?

Die Ozeane sind unsere Wärmespeicher. Der Großteil der Erdoberfläche ist mit Ozeanen bedeckt und diese nehmen auch den Großteil der Erwärmung auf, die wir gerade produzieren. Sie erwärmen sich aber sehr langsam, viel langsamer als Luft, dank ihrer hohen Wärmekapazität. Wer kennt es nicht, dass das Wetter schon seit Wochen richtig sommerlich und die Luft heiß ist ist, aber das Wasser im Freibad noch eher zum Frösteln. Wenn die Ozeane dann aber warm sind, dauert eine Abkühlung auch länger. Wenn wir also jetzt das Ruder rumreißen in Sachen Treibhausgasemissionen, reagieren die Ozeane noch langsamer als die Atmosphäre. Claudia berichtet also vom Wärmegehalt der Ozeane und wie der angestiegen ist. Was übrigens nicht unsicher ist, sondern feststeht. Wir reden hier von etwa 500 Zetajoule mehr seit der vorindustriellen Zeit. Diese Zahl hat vorne eine Fünf und dahinter 23 Nullen. Das sind sehr viele Schokotafeln. Wie viele genau können Claudia und Florian gerade nicht aus dem Kopf berechnen. Das hat natürlich einen Einfluss auf die Zirkulation in den Ozeanen. Dazu gibt es einen guten Vortrag von Stefan Rahmstorf den wir hier sehr empfehlen. Damit geht es dann von der süßen Schokolade hin zum salzigen Meerwasser, denn auch da verändert sich was. Last but not least schauen wir noch auf den Meeresspiegelanstieg. Aktuell ist die thermische Ausdehnung des Wassers hier noch der treibende Faktor, aber bald werden schmelzende Gletscher und der Rest der Kryosphäre hier übernehmen.

Die Biosphäre und das Marillen-Drama

Wenn sich alles ändert, ändert sich auch das, was in der Atmosphäre der Erde lebt und zwar die Biosphäre. Pflanzen fangen früher zu blühen als sonst, Früchte sind eher reif und wachsen dort, wo sie früher nicht wachsen konnten. Der Lebensraum vieler Tiere verändert sich und sie müssen sich andere suchen. Eine komplette Analyse der Veränderungen in der Biosphäre geht auch über das hinaus, was der IPCC leisten kann. Aber exemplarisch hat man sich ein paar phänologische Phänomene angesehen und in Abbildung 2.32 dargestellt:

Abbildung 2.32

Gerade diese Änderungen haben einen sehr direkten Einfluss auf das Leben vieler Menschen. Claudia und Florian, die beide aus Weinanbaugebieten kommen, können das bestätigen. Und ganz besonders schlimm findet Florian die Auswirkungen des Klimawandels auf den Marillenanbau in der Wachau. Was, wenn es irgendwann mal keine Marillenmarmelade mehr gibt?!

Alles zusammen

Eine Synthese von allem findet man in Abbildung 2.34. Nämlich der hier:

Bildbeschreibung

Prognose aus der Vergangenheit

Am Ende schauen wirt noch auf das Klima im Pliozän. Da war der CO2-Gehalt das letzte Mal so hoch wie jetzt. Die großen Wälder konnten weiter nach Norden vordringen als heute, was die Erde dadurch noch wärmer gemacht ist, als sie jetzt ist. Das mit den Wäldern haben wir ja durch exzessive Abholzung gelöst…

El Nino und die Veränderung der Veränderung

Die interne Klimavariabilität, also interne Klimaschwankungen, die durch Wechselwirkungen in oder zwischen den Subsystemen (Atmosphäre, Kryosphäre, Ozeane, Biosphäre) entstehen, kann den menschengemachten Klimawandel streckenweise überlagern und unsichtbar machen, aber auch selbst von ihm beeinflusst werden. Da gibt es Schwankungen, sogenannte Moden, die sich auf kleineren Zeitskalen im Bereich von Dekaden zyklisch abspielen, dazu gehört z.B. die El Niño/Southern Oscillation (ENSE). Claudia erklärt wie ENSO auf unser Wetter wirkt und wie das Klima aus ENSO wirkt. Bei allen Moden gibt es noch viel Daten- und Forschungsbedarf und der nächste Sachstandsbeicht kommt bestimmt.

FAQs und Vorschau auf Kapitel 3

Die FAQs am Ende von Kapitel 2 sind wie immer informativ, vor allem weil es sich um zwei Klassiker handelt: ”Was ist jetzt anders als früher, wo sich das Klima ja auch geändert hat?” und ”Was sind die Belege für Klimawandel?” Dann folgen 82 Seiten Supplement mit den Quellen für alle Daten des Kapitels und die fast ebenso lange Literaturliste. Mit einem Ausblick auf Kapitel 3 beenden wir die Folge.

Weiterführende Informationen

Kapitel 2 des Klimaberichts ist hier als pdf downloadbar.

Die Coriolis-Kraft wird in diesem Video sehr schön erklärt.

Kontakt und weitere Projekte

Wenn ihr Fragen oder Feedback habt, dann schickt uns einfach eine Email an podcast@dasklima.fm. Alle Folgen und alle Shownotes findet ihr unter https://dasklima.fm.

Florian könnt ihr in seinem Podcast “Sternengeschichten” zuhören, zum Beispiel hier: https://sternengeschichten.podigee.io/ oder bei Spotify - und überall sonst wo es Podcasts gibt. Außerdem ist er auch noch regelmäßig im Science Busters Podcast und bei WRINT Wissenschaft”-Podcast zu hören (den es ebenfalls bei Spotify gibt). Mit der Astronomin Ruth Grützbauch veröffentlicht er den Podcast “Das Universum”.

Claudia forscht und lehrt an der TH Köln rund um Wissenschaftskommunikation und Bibliotheken und plaudert im Twitch-Stream “Forschungstrom” regelmäßig über Wissenschaft.

Ansonsten findet ihr uns in den üblichen sozialen Medien:

Instagram Florian| Facebook Florian

Twitch Claudia | TikTok Claudia

Twitter Florian| Twitter Claudia

Blog Florian| Homepage Florian| Veranstaltungen Florian

Kommentare (2)

hinrich7

Corioliskraft gut erklärt: https://youtu.be/Z7CfrEGrp5M

Laura

Gerade den Artikel gelesen über den südlichen Schneeferner... traurig, aber es schreitet wohl voran... er gilt offiziell nicht mehr als Gletscher... dem restlichen Eis geben Experten noch ein bis zwei Jahre... Und danke für eure Arbeit den Bericht so toll durch zu gehen... sehr interessant und erschreckend zugleich

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