DK110 - Queer sein in der Klimakrise: Betroffenheit trifft Aktivismus
Shownotes
DK110 - Queer sein in der Klimakrise: Betroffenheit trifft Aktivismus
Und: Wieso wir mehr Sichtbarkeit und Gehör für queere Lebensrealitäten und Menschen brauchen
"Das Klima”, der Podcast zur Wissenschaft hinter der Krise. Wir lasen den sechsten Bericht des Weltklimarats und erklären den aktuellen Stand der Klimaforschung.
Die Klimakrise betrifft uns alle und sie betrifft uns alle unterschiedlich. Wie sich die Klimakrise auf queere Menschen auswirkt und warum wir mehr Sichtbarkeit für die Lebensrealitäten der LGBTQIA+ Community brauchen, um ihrer besonderen Betroffenheit entgegenzuwirken, ist Gegenstand von Forschung und ein besonderes Anliegen von Claudia. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass queere Menschen aktiv in die Lösungsfindung einbezogen werden müssen - außerhalb und innerhalb der Wissenschaft. Die Forschung zeigt auch, dass queere Menschen eine besondere Rolle im Klimaaktivismus spielen können. Ihre Stimmen zu verstärken ist also nicht nur im Interesse der Menschlichkeit, sondern auch im Interesse des Klimas.
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Was bedeutet queer?
Wir sprechen von queeren Menschen und meinen damit die Mitgliedern der LGBTQIA+ Community, auch wenn diese Gleichsetzung nicht unkontrovers ist, denn der Begriff queer ist durchaus politisch. Es geht genauer gesagt um Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht-cis ist, also auch um Menschen deren Geschlechtsidentität jenseits, außerhalb oder zwischen dem oft als binär dargestellten Bild männlich und weiblich liegt, und/oder um Menschen deren romantische und/oder sexuelle Orientierung nicht-hetero und/oder nicht-allo ist.
Queere Lebensrealitäten werden im IPCC-Bericht nur an sehr wenigen Stellen erwähnt und das meist, wenn es um deren besondere Betroffenheit von den Folgen der Klimakrise geht. Claudia, die selbst queer ist, beleuchtet queer sein in der Klimakrise daher genauer und will es nicht bei bei den negativen Auswirkungen beruhen lassen, denn queere Menschen können viel tun im Klimaaktivismus, wenn man sie denn willkommen heißt, lässt und fördert.
Klimakrise und Diskriminierung
Noch 2022 wurde im Artikel Out and Proud in the Field: Eco-Queers for Climate Adaptation festgehalten, dass die LGBTQIA+ Community in wissenschaftlichen und politischen Veröffentlichungen wie UN-Berichten nur am Rande erwähnt wird, was auf die Anfälligkeit und Verwundbarkeit dieser Bevölkerungsgruppen hinweist. Claudia konnte das von den IPCC nochmal bestätigen. Auch Queer and present danger: Understanding the disparate impacts of disasters on LGBTQ+ communities stellt fest, dass unter anderem aufgrund von noch immer vorhandener alltäglicher gesellschaftlicher Diskriminierung, queere Menschen in Katastrophenfällen aber auch unter sich langsam verschärfenden Bedingungen, stärker von den Folgen der Klimakrise betroffen sein werden. Die Betroffenheit kann dabei innerhalb der Community sehr unterschiedlich aussehen.
Bestehende Diskriminierungen abzuschaffen und Verständnis für queere Beziehungen, Familien, Identitäten und Bedürfnisse herzustellen, sind daher von hoher Priorität. Wer noch nie vom Konzept der “Chosen Family” gehört hat und nicht weiß, wie zentral diese Struktur im Leben queerer Menschen sein kann, schafft auch keine Anerkennung dafür in Notfallplänen. Wer nicht weiß, welche bürokratischen Prozesse hinter einer Transition stecken, wird nicht wissen, wie mit einem Ergänzungsausweis oder unterschiedlichen Identitäten auf unterschiedlichen Dokumenten umzugehen ist. Besonders brisant wird es, wenn die Notfallversorgung im Katastrophenfall zu nicht zu vernachlässigbaren Teilen durch Organisationen mit religiösem Bezug erbracht wird. Es gibt jedoch einiges, was getan werden kann, um die Lage zu verbessern. Auch hierzu wurde schon einiges geschrieben. Es muss aber auch endlich etwas getan werden.
Verschenktes Potenzial und queere Aktivismus-Expertise
Im Artikel Have We Left Behind the Rainbow Warriors? The Climate Emergency and Its Impact on Global Queer People and Their Communities wird beschrieben, dass Klimabewegungen eine bedeutende Anzahl queerer Mitglieder aufweisen und es dennoch eine Entkopplung zwischen klimapolitischen und queerpolitischen Bewegungen gibt. Das verwundert und wirft die Frage auf, ob und wie das verändert werden kann. Queere Menschen haben eine klare Einstellung zur Klimakrise, wie Queering Climate Change: Exploring the Influence of LGBTQ+ Identity on Climate Change Belief and Risk Perceptions herauasgefunden hat. Das Potenzial darf man nicht verschenken.
Auch in der Forschung ist bei der Einbindung queerer Perspektiven noch Luft nach oben. So beschreibt Have Rainbow, Will Collect Data: How Citizen and Community Science Engages Queer Volunteers wie die Einbindung queerer Menschen im Kontext von Citizen Science funktionieren kann. There is no climate justice without LGBTQIA+ liberation fast schließlich zusammen, was getan werden kann, um Klimabewegungen, aber auch Forschung, zu einem Safer Space für die LGBTQIA+ Community zu machen.
Claudia schließt mit einem Zitat von Jessie Oehrlein. Sie ist Assistenzprofessorin für Mathematik an der Fitchburg State University (MA, USA): “It’s easy to think of ace and aro identities as being about absence or lack of certain kinds of attraction […], but it’s been helpful for me to think with other aces and aros about joy and what kinds of relationships, communities and worlds we imagine and could work for. And that’s where I see the most integration of my queerness into my academic identities. It’s a joy to be in a framework and community that recognizes that important relationships can exist in many forms, whether or not that matches expectations or labels.” Auch queere Forschende brauchen mehr Sichtbarkeit und mehr Gehör. Nur so können wir gemeinsam die Klimakrise und ihre Folgen für alle abmildern.
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Claudia forscht und lehrt an der TH Köln rund um Wissenschaftskommunikation und Bibliotheken und plaudert im Twitch-Stream “Forschungstrom” ab und an über Wissenschaft.
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